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Emmental

Reito und Ruodheri

Vor kurzem erschien auf diesem Blog ein Beitrag über ein Referat von Jonas Glanzmann. Er berichtete über die geschichtliche Entwicklung des Emmentals, über steinzeitliche Funde und über Burgen, die schon im siebten Jahrhundert entstanden sind. Natürlich darf man sich dabei nicht hochmittelalterliche, steinerne Bauwerke mit Zinnen, Türmen und wehenden Bannern vorstellen. Vielmehr haben wir es hier mir Erdburgen zu tun, auf denen hölzerne Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude standen. In
Rüderswil gibt es mindestens vier Burgstellen: Im Toggelbrunnen, auf dem südlich vom Dorfkern gelegenen Zwingherrenhoger und in Schwanden, wo die Überreste einer Erdburg westlich des Dorfkerns zu finden sind. Hinzu kommmt die im Jahr 2016 von Jonas Glanzmann entdeckte «Burg Knubel» im Feld unterhalb des Dorfes. Gemäss dem Geschichtsforscher dürfte sie bereits im siebten oder achten Jahrhundert entstanden sein, im Zuge der alamannischen Besiedlung also.

Beim Zwingherrenhoger RüderswilBeim Zwingherrenhoger in Rüderswil

Diese Entdeckung wirft ein neues Licht auf die Geschichte des Terassendorfes Rüderswil, die Oberemmentaler Gemeinde könnte älter sein als bisher angenommen. Und der Knubel wirft erneut die Frage auf, wann das Emmental besiedelt wurde. Auf der Homepage der Gemeinde Langnau ist eine Seite zur Geschichte der Region zu finden. Dieser zufolge gab es im Emmental keine voralamannische Siedlungsaktivitäten. Und ferner: «Bodenfunde aus früheren Epochen stammen wahrscheinlich von nomadisierenden Jägern». Wann aber genau kamen die Alamannen ins Emmental?

Jaggi, Arnold: Helvetier, Römer und Alamannen

Jaggi, Arnold: Helvetier, Römer, Alamannen

Eine Antwort auf diese Frage gibt – nebst zahlreichen anderen Quellen – ein hübsches Geschichtsbuch aus dem Jahr 1968. Es richtet sich an jugendliche Leser, was natürlich nicht heisst, dass auch Erwachsene es lesen dürfen! Verfasst hat das rund 230 Seiten starke Buch Arnold Jaggi, der Titel ist etwas lang geraten: «Helvetier, Römer, Alamannen und der Sieg des Christentums in unserem Lande». Das gebundene Werk ist mit 76 schönen Federzeichnungen von Mark Adrian illustriert. Wie es der Titel schon andeutet, handelt das Buch von der keltischen Bevölkerung in der Schweiz, von der (freundlich ausgedrückt) römischen Einflussnahme und von den Alamannen, einer vorwiegend im südlichen Deutschland ansässigen Volksgruppe, die in die Schweiz einwanderte. Im Buch sind Illustrationen zu finden, die einen guten Eindruck davon vermitteln, wie eine alamannische Siedlung im siebten Jahrhundert ausgesehen haben könnte.

Seien wir ehrlich: Beliebt waren die Alamannen in der Schweiz des dritten Jahrhunderts nicht! Denn sie zogen von Norden her kommend plündernd und brandschatzend durch Schweizer Städte und Dörfer! Nur mit Mühe konnten römische Truppen die aufmüpfigen Alamannenhorden wieder über die Alpen und dann über den Rhein zurück drängen! So herrschte relative Ruhe im Gebiet der heutigen Schweiz, da die Römer starke Grenzfestungen errichteten und die Aggressoren damit fernhielten – vorerst jedenfalls! Unruhig wurde es spätestens im frühen fünften Jahrhundert wieder, schuld daran waren diesmal die Westgoten, die nach Oberitalien eindrangen. Der erst 17 Jahre alte weströmische Kaiser Flavius Honorius benötigte dringend Truppen, um diesen Vormarsch zu stoppen. Also zog er Soldaten von der Grenzfestung im Norden Helvetiens ab. Und lud damit die Alamannen ein, in die Schweiz einzuwandern, was diese auch rasch und in grosser Zahl taten! Warum dieser Landhunger? Ganz einfach, auch die Alamannen wurden von germanischen Stämmen aus dem Norden bedrängt und das Schweizer Mittelland versprach ebenes und fruchtbares Land. Den Drang nach Süden in ein besseres Klima verspürten auch die Helvetier Jahrhunderte zuvor, als sie ihr angestammtes Wohngebiet in den Alpen verliessen und nach Süden zogen. Jeremias Gotthelf berichtet von so einem Zug im seiner Geschichte «Der Druide».

Münze mit Kaiser Flavius Honorius

Hatte keinen leichten Stand: Kaiser Honorius (Quelle: Wikipedia)

Arnold Jaggi berichtet bildhaft und spannend, was nach der Grenzöffnung geschah: «Sie wanderten nicht in Gruppen oder Haufen, wie es sich gerade traf, sondern die Verwandten zogen miteinander. Je sieben, acht oder zehn bis zwölf verwandte Familien bildeten eine Sippe.» Die ansässigen Helvetier und Römer mussten zusehen, wo sie bleiben, denn gemäss Arnold Jaggi waren die Alamannen nicht zimperlich: Sie vertrieben die Einheimischen oder versklavten sie; Dörfer und Höfe wurden wurden mit gut vorbereiteten Angriffen besetzt und niedergebrannt, das Land okkupiert. Und nun bauten die Alamannen ihre eigenen Dörfer, idealerweise dort, wo genügend Wasser zu finden war. Der Sippenführer rammte einfach als Zeichen der Besitznahme am gewählten Ort seinen Speer in den Boden. Eine frühmittelalterliche Grundbuchanpassung auf alamannisch! Das Buch vermittelt an dieser Stelle auch sehr schöne Schilderungen weiterer Bräuche unserer Altvorderen. So befand sich im grossen Wohnhaus bei der mittleren Firststütze ein Ehrenplatz, auf dem der Familienvater oder ein Gast thronte. Apropos Wohnhaus. Die Häuser waren mit weiten, bis fast zum Boden reichenden Walmdächern aus Stroh abgedeckt. Die Ähnlichkeit mit dem typischen Emmentaler Bauernhof ist unverkennbar! Das Buch enthält bei der Schilderung des alamannischen Dorflebens auch eine hübsche Anekdote. Sie erzählt vom Sippenältesten Reito, der sich mit einem Einheimischen anfreudete, dieser lehrte ihn vieles über die römische-helvetische Landwirtschaft.

Alamannisches DorfAlamannisches Dorf (Bildquelle: Arnold Jaggi, Mark Adrian)

Es folgt nun ein wichtiger Abschnitt, der den Kreis zum Beginn und zu den alamannischen Burgen im Emmental schliesst. Auf Seite 148 des Buchss steht, dass die Zahl der Alamannen in der Schweiz immer mehr zunahm. Es entstand etwas, das wir heute «Dichtestress» nennen würden. Also wanderten viele Familien und Dorfgemeinschaften in die Alpentäler ein und machten diese urbar. Dabei dürften sie auch in das hügelige und damals in weiten Teilen bewaldete Emmental vorgedrungen sein. Das Schachengebiet mieden sie vorerst, da dieses sumpfig war und immer wieder von der Emme überschwemmt wurde. Aber die Terassen boten ideale Verhältnisse zum Errichten eines Dorfes. Wie es im Gebiet von Rüderswil weiterging, wissen wir: Ruodheri, ein alamannischer Sippenführer, kam mit seiner Gemeinschaft auf die sonnige Terasse bei Rüderswil. Er sah sich eine Weile um, dann nickte er zustimmend mit dem Kopf und nahm den Speer zur Hand…

Wann geschah dies? Gemäss der Rüderswiler Chronik in der Zeit zwischen 850 und 900. Es ist aber gut möglich, dass die alten Rüderswiler schon etwas früher auftauchten! Der Fund von Jonas Glanzmann jedenfalls spricht dafür.

Zum weiterlesen:
Weltwoche: Die Helvetier
Heinz J. Moll: Erdwerke in der Region Bern / Band 2

Das Emmental als Burgenland

«Geschichte hat mich schon immer interessiert», erklärte Jonas Glanzmann bei einem Vortrag in der Rüderswiler Pfrundscheune. Er nahm eine Einladung der Kirchgemeinde an und blickte bei seinem rund 90 Minuten dauernden Referat tief in die Vergangenheit des Emmentals. Begonnen habe sein Interesse für Geschichte schon in der Jugend, als er in Bachläufen Gold wusch. Seine Aufmerksamkeit habe dann aber nicht nur das begehrte Edelmetall geweckt, sondern auch verschiedene alte Gegenstände, die er im Bachbett entdeckte. «Da hat es mich gepackt» gestand der Geschichtsforscher.

Burgstelle entdeckt
Das Dorf Rüderswil ist Jonas Glanzmann in guter Erinnerung, denn vor zwei Jahren entdeckte er im Feld eine bisher unbekannte Burgstelle. Wie aber kam es zu diesem aussergewöhnlichen Fund? Jonas Glanzmann: «Ich habe eine Karte aus dem Jahr 1727 betrachtet. Am linken Emme­ufer, ungefähr gegenüber von Ranflüh, ist mir dann die Bezeichnung ‹Schloss Knubel› aufgefallen.». Der Forscher aus Thun begab sich zu der markierten Stelle und konnte tatsächlich eine Burgstelle aus dem 7. oder 8. Jahrhundert nachweisen. Gemäss Glanzmann fällt die Burg damit in die Zeit der allemannischen Besiedlung und ist ein Indiz dafür, dass Rüderswil älter ist, als bisher angenommen.

1000 Jahre alte Schenkungsurkunde
Fesseln konnte der Thuner Historiker die Zuhörer auch mit seinen Ausführungen zum Weiler Doggelbrunnen. Dieser wird schon im Jahre 1004 in einer Schenkungsurkunde des Lenzolo erwähnt. Bis heute sind beim Doggelbrunnen Schanzanlagen zu erkennen, die Zeuge dafür sind, dass hier einst eine frühmittelalterliche Burg stand. «Eine Burg ist ein befestigter Wohnsitz, der einem Angehörigen des niederen Adels gehörte« erklärte Glanzmann und zeigte auch Bilder, die einen Eindruck davon vermittelten, wie die aus Holz gebauten Wohn- und Wirtschaftsgebäude ausgesehen haben könnten. Zu der Anlage dürfte auch eine Letzi gehört haben, eine Talsperre also, mit der die Passage kontrolliert werden konnte. Zur damaligen Zeit war der Emmenschachen grösstenteils nicht begehbar, da er sumpfig und oft überschwemmt war. Deshalb führten die ersten Wege durch das Emmental über die Terassen und Eggen.

Weiler DoggelbrunnenBlick auf den Doggelbrunnen (Bild: Google Earth)

Von Norden nach Süden
Es ist gerade das alte Wegsystem des Emmentals, dem Jonas Glanzmann grosse Aufmerksamkeit schenkt. Auf einer Karte zeigte er, wie die politischen Machtverhältnisse im frühen Mittelalter waren. Das Emmental befand ich im Einflussbereich der Burgunder im Westen, aber auch der schwäbischen Machthaber. Das Emmental bot sich damals für einen alternativen Nord-Süd Transit an, was gut erkennbar wird, wenn auf einer Karte die Standorte alter Kirchen und Burgen eingezeichnet werden. Glanzmann markierte die Ortschaften mit verschiedenen Farben, so dass deutlich zu erkennen ist, wie alle Standorte sich auf ein Wegsystem ausrichten. «Burgen wurden nicht einfach irgendwo gebaut» erklärte Glanzmann dazu. Sie seien vielmehr dort entstanden, wo die strategische Lage günstig war. Und stets in unmittelbarer Nähe eines wichtigen Verkehrsweges.

Das Emmental habe eine erstaunlich hohe Dichte an Burgen gehabt, resumierte Jonas Glanzmann. Der Forscher bleibt gemäss eigenen Angaben auch weiterhin auf den Spuren der Vergangenheit in der Region. Sicher wird Jonas Glanzmann noch für einige Überraschungen sorgen. Sein neues Buch, «EINE LANDSCHAFT ERZÄHLT GESCHICHTE», wird im kommenden April erscheinen.

Weitere Infos: www.historiarum.ch

Ein Langnauer Töpferei stellt den Betrieb ein

Langnau im Emmental hat eine reiche und vielseitige Töpfereigeschichte. Schon im 17. Jahrhundert wurden im malerischen Dorf an der Ilfis Töpferwaren hergestellt, Langnau ist der wichtigste Töpfereistandort im Kanton Bern, wenn es um Irdenware geht. Die in dunkelgelb oder schwarz gehaltenen Teller, Schüsseln und «Chacheli» erfreuen das Auge mit leuchtenden Blumenornamenten, die in rot, grün und gelb gehalten sind. Manche Stücke sind auch mit Figuren und Sprüchen verziert, zum Beispiel mit diesem hier: «Dornen stächen, Nesel brennen, wär will alle Hurenbuben kennen». Und wer im Emmental zur Visite eingeladen wird, kann möglicherweise die Kleinode auf dem Tisch bewundern, wenn Kaffee mit Merängge und Nidle aufgetischt wird.

Langnauer Keramik - ZuckerdoseEine Zuckerdose aus der Töpferei Herrmann

Grillpartys statt Porzellan
In den den Achtziger Jahren erlebte die Langnauer Keramik in der Region noch einmal eine Blüte, mehrere Töpfereien entstanden, das Töpfer- und Keramikkunsthandwerk war wieder gefragt. Doch dann ging die Nachfrage Jahr um Jahr stetig zurück. Insbesondere bei jungen Menschen fand ein Mentalitätswandel statt. Kostbares Geschirr aus handgemachter Keramik oder aus Porzellan war «out». Im Trend sind heute Grillparties, bei denen zuweilen aus Kartontellern gegessen und aus Plastikbechern getrunken wird. Einfaches, praktisches Geschirr liegt im Trend, zumal dieses geschirrspülerfest ist und problemlos ersetzt werden kann. So erstaunt es kaum, dass eine junge Familie unlängst erklärte, dass das «Grosi-Gschirr» nur noch dann auf den Tisch kommt, wenn sich die Grossmutter zum Besuch angemeldet hat!

Irgendwann kommt wieder eine Blütezeit
Dass per Ende März eine weitere Töpferei in Langnau den Betrieb einstellt, erstaunt bei dieser ungünstigen Entwicklung nicht mehr. Der Besitzer sah diesen Moment schon lange kommen, denn wegen mangelnder Nachfrage sei es immer schwieriger geworden, zu einem realistischen Preis zu produzieren. Der Traditionsunternehmer ist aber zuversichtlich, dass irgendwann wieder eine Zeit kommen wird, wo hochwertiges und handgefertigtes Geschirr gefragt sein wird.

Rüderswiler Winternacht

Rüderswiler Winternacht

Die Aufnahme entstand am 17. Dezember auf einer Anhöhe über dem Ausserdorf. Um ca. 17.15 Uhr, noch bevor die Dämmerung in Nacht überging und die Lichter im Dorf deutlich erkennbar wurden. Der Blaustich ist gewollt. Verwendete Kamera: Sony DSC RX100 M3. Einstellungen: Blende: f/2.8, Verschluss: 1/8, Brennweite: 18.89mm, ISO 800.

Es schöns Erläbnis

E länge Arbeitstag isch z’Änd gange. I ha mi uf e Heiwäg gmacht u wiu’s grad e schöne u sunnige Herbschttag isch gsi, han i e Umwäg übere Ramisbärg gmacht. Dert, am Waldrand gseht me wyt i ds Land, übere Schache, über d Dörfer und zringsetum d Egge, wo der blau Himmel berüehre. U d Sunne het i däm Momänt die letschte, guldige Strahle über ds Ämmital gschickt, ds Wasser vor Ämme het glitzeret u der Himmel het sich rot gfärbt.

Drum han i a däm schöne Ort e Pouse gmacht, ha ds Alphorn zämegsetzt und es paar Tön i d Wyti gschickt. Denn es paar Stück us em Alphornbüechli u denn no öppis, wo mir grad i Sinn isch cho.

U denn, won i scho a ds Heigah däicht hat, isch vom Buurehof unger der Strass e Chinderstimm z’ghöre gsy: «Blib no chly!». Gseh han i niemmer, aber i ha i d Richtig vom Hof gwunke u denn no eis gspilt.

Das isch es schön Erläbnis gsy. E Sunneuntergang im Herbscht dörfe z’erläbe, z’erläbe wie dä Tag langsam aber doch sicher z’Änd geit, wie’s wott vernachte. Und öpper, wo a däm spontane Alphornkonzärt Fröid het gha!

Holzkugel statt «Fidget Spinner»

Sie sind zurzeit in aller Hände, die Fidget Spinner. Die kleinen Handkreisel also, die zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten werden, während die Flügel durch ein leichtes Antippen mit der anderen Hand zu rotieren beginnen. Das ganze soll entspannend wirken. Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, einen Fidget Spinner auszuprobieren. Aber ehrlich gesagt, entspannend wirkte er nicht auf mich! Das leise Sirren des Kugelllagers empfand ich eher als nervöses Geräusch. Hinzu kommt, dass der Fidget Spinner ein Spielzeug aus Plastik ist. Und während eines langen Tages halten wir genügend Dinge aus Plastik in der Hand: Tastatur, Smartphone, Kugelschreiber und Telefon zum Beispiel.

Und nun kommt meine Empfehlung für ein echtes «Gadget» zum Entspannen nach Emmentaler Art: Eine gedrechselte Holzkugel. Es gibt zahlreiche Drechslermeister und Kunsthandwerker, die Holzkugeln in den verschiedensten Grössen und Holzarten anbieten. Natürlich wirken die Kugeln sehr dekorativ. Und wenn man sie ein paar Minuten in der Hand hält und das samtene Holz fühlt, dann hat dies eine entspannende Wirkung. Auch deshalb, weil Holz ein reines Naturprodukt und in uns immer eine gute Stimmung anklingen lässt. Nicht umsonst heisst es ja «Holz macht heimelig». An einem heissen Sommertag fühlt sich ein Stück Holz kühl an, in der Winterkälte vermittelt es ein Gefühl der Wärme.

Holzkugeln

Holzkugeln gibt es unter anderem hier: Holzkreationen von Roland Schenk aus Eggiwil und Bernhard Wampfler, Drechslermeister aus Wasen, er hat die abgebildeten Kugeln gedreht.

An der Schwelle zweier Epochen

Alte elektrische Schreibmaschine

Vor kurzem fand im Nachbardorf wieder der alljährliche Trödlermarkt statt. Und ja, ich war auch dabei! Nicht, weil ich etwas ganz bestimmtes kaufen wollte sondern mehr, weil es einfach Spass macht, an den Ständen vorbeizuschlendern und beim Betrachten all der vielen alten Sachen mit den Gedanken in die Vergangenheit zu schweifen. Das Angebot war auch dieses Jahr vielfältig und bunt: Alte Bücher, «Grossmuttergeschirr» mit Goldrand, Zinnzuber, Schulphotos aus den 1920er Jahren, schönes Leinentuch, Spielsachen von anno dazumal und tausend Dinge mehr. Kurz: es fehlte an nichts.

Zwischen zwei Ständen, da stand auf einem Holzstuhl eine alte elektrische Schreibmaschine, so wie sie ab den 70er Jahren in Büros üblich war. Ob die wohl noch funktioniert? Und ob sie im Zeitalter des Notebook und Tablet noch einen Käufer findet? Jedenfalls stand sie zwei Stunden vor Marktende immer noch da. Genau so wie die schönen analogen Kameras und der VHS Recorder aus den 80er Jahren. Sie alle sind Zeugen aus einer Zeit, in der analoge Technologie noch das Non plus ultra war, am Vorabend der Digitalisierung.

Wir Leben in einer Epoche, in der Analogtechnik Schritt für Schritt und mit endgültiger Konsequenz abgelöst wird. Die Kinder der Digitalisierung heissen Internet, Smartphone, E-Book und GPS Navigation. Und was wir hier erleben ist erst der frühe Beginn, so wie der Druck der ersten Schriften nach der Erfindung der Druckerpresse im 15. Jahrhundert. Die nächsten Technologien, die unser Leben so wie der Personal Computer oder das Internet verändern werden, sind am Horizont bereits zu erkennen: Autonom fahrende Autos, Lieferdrohnen, die einen bestellten Artikel in Stundenfrist liefern, virtuelle Realität und – irgendwann in naher Zukunft – freundliche Roboter für den Hausgebrauch.

Wir haben schon einiges davon selbst miterlebt. Etwa, als wir voller Spannung die erste CD in den soeben erworbenen CD Player einlegten. Und dann über die Tonqualität staunten! Kein Rauschen, kein Knistern, nichts – nur die reine Musik! Und dann das erste Mal den Homecomputer einschalteten und von einem freundlich blinkenden Cursor auf dem Bildschirm begrüsst wurden. «Nun mach mal was» war seine Botschaft, währenddem wir etwas ratlos im Handbuch blätterten… Und er schien noch etwas sagen zu wollen: Folge mir in die Zukunft!

Die Brücke zu Lützelflüh

Im kommenden Jahr wird das Brückenbuch des bekannten Lützelflüher Historikers Max Frutiger 40 Jahre alt. Das ist mehr als Grund genug, dieses schöne Buch wieder einmal zu lesen! Die Lektüre des umfangreichen und reich illustrierten Bandes ist so lohnend wie am ersten Tag.

Die Brücke zu Lützelflüh

Frutiger, Max: Die Brücke zu Lützelflüh (vergriffen)

Lehnen wir uns einen Moment zurück und stellen wir uns vor, was dieses Bauwerk, das mehr als 300 Jahre alt wurde, alles erlebt hat. Während des Bauernaufstandes von 1653 ertönten hier die Rufe von Meldereitern, der Widerhall der klopfenden Pferdehufe auf den Planken war zu hören. Obmann Niklaus Leuenberger selbst war es, der dem Wachtmeister Ulrich Kipfer vom Waldhaus bei Lützelflüh die Order gab, Wachtposten aufzustellen. Der Wachtbefehl des Berner Bauernanführers vom 19. März ist erhalten geblieben und im Buch abgedruckt. Kipfers Wache funktionierte sehr gut, wie ab Seite 80 nachgelesen werden kann. Ein Bericht hält fest, dass als Handwerker und Bettler verkleidete Soldaten das Schloss Brandis zu erreichen versuchten. Die Brücke konnten sie passieren, aber als sie das Dorf erreichten, wurden sie von einem Posten aufgegriffen. Als die drei Verkleideten keine «Passporten und Passzedel» vorweisen konnten, drohten ihnen die Wächter mit erhobenen Halparten und Knüppeln. Und schickte sie weg: «Oh ihr Schelmen, machend üch wider zrugg»

Die Brücke erlebte 140 Jahre später den Kriegslärm vom Einfall der Franzosen, wie Max Frutiger schildert. Der Historiker dokumentiert detailliert und bildhaft die unheilvollen Geschehnisse dieser Zeit und wie die Bevölkerung unter den plündernden und marodierenden französischen Husaren zu leiden hatte: «Scheu und verängstigt sahen die Dorfbewohner die Franzmänner über die Brücke ziehen, diese fremden Teufel, die so komisch welschten, dass man sie nicht verstand». Die Angst war nicht unbegründet, wie der Chronist mit zahlreichen Beispielen belegt!

Die Brücke von Lützelflüh wurde im Jahr 1584 erbaut, es herrscht in dieser Zeit das «Brückenfieber» im Emmental. Die Bevölkerung in der Region nimmt zu, Handel und Gewerbe fordern schnellere und sichere Zufahrten in die Täler. Und Brücken sollen von Fuhrwerken überquert werden können. Zuvor gab es meist nur einfache Stege für Fussgänger, wenn überhaupt! Meist wurde die Emme, die damals ein viel flacheres Ufer hatte, über eine Furte überquert. Gerade für Ross und Wagen war dies gefährlich, Unfälle mit schwerwiegenden Folgen waren keine Seltenheit!

Zeitungsartikel im Buch

Fundstück: Im antiquarischen Buch tauchte ein Zeitungsartikel aus dem Erscheinungsjahr auf.

Im Kapitel «Der Eggiwylfuehrme und syner Gspane» wird von den Wassergrössen berichtet, die das Emmental immer wieder erlebt habt. In der Sprache Gotthelfs berichtet der Historiker, was geschieht, wenn die Emme anschwillt und zu einem tosenden Sturmwasser wird. Ungestüm, wild, tosend und brüllend zieht sie verwüstend durch das friedliche grüne Tal! Eggiwylfuehrme nennt sie seit der Zeit der Flösser der Volksmund, wenn sie mit lautem Geschiebe das Tal hinunter fährt! Wie Max Frutiger festhält, hat die Brücke zu Lützelflüh alle Fluten überstanden. Wohl wurde sie immer wieder beschädigt und bei der grossen Wasserkatastrophe von 1837 fast mitgerissen (Vorschieben der Brücke auf einem Joch). Allein sie bestand auch diese Wassernot, die gemäss Frutiger zu den grössten gehörte, den das Emmental je erlebt hat.

Im 19. Jahrhundert, die Brücke war damals schon mehr als 200 Jahre alt, gab es wiederholt Bestrebungen, sie durch einen Neubau zu ersetzen und die Verwaltung an den Kanton zu übertragen. Aber erst kurz vor der Jahrhundertewende waren die neuen Pläne spruchreif und alle Verträge für einen Neubau unterzeichnet. An die Stelle der ehrwürdigen alten Holzbrücke trat eine Eisenkonstruktion, die schon nach 70 Jahre wieder abgerissen werden musste, weil sie rostete! Im Bericht des damaligen Gemeindeschreibers Carl Haldimann klingt auch etwas Wehmut mit, wenn er den Abbruch der Holzbrücke wie folgt protokolliert: «Für spätere Überlieferung wird hier an dieser Stelle davon Akt genommen, dass die im Jahr 1584 (…) erbaute hölzerne Brücke zu Lützelflüh vom 18. bis 22. Dezember 1902 abgebrochen worden ist». Ferner schreibt er, dass eine wohlgelungene Photografie der Brücke dem Archiv zur Aufbewahrung übergeben wurde.

Holzbrücke LützelflühEinfahrt der Brücke bei der Kulturmühle

Ganz abgebrochen? Nicht ganz, eine Einfahrt der Brücke ist erhalten geblieben und diente als Remise. Sie steht heute bei der alten Mühle (heute Kulturmühle) in Lützelflüh. Wenn Du, lieber Leser, vorbeikommst, halte einen Moment inne und höre auf die alten Erzählungen, an die sich dieses einzigartige Bauwerk erinnert. Vielleicht daran, wie sie regelmässig von einem berühmten Schriftsteller und Pfarrer überquert wurde, der in der Dunkelheit auf der Hut sein musste, weil ihm die Nachtbuben nachstellten…

Das Buch von Max Frutiger erschöpft sich nicht mit dem ausführlichen Bericht über die Brücke. Der Historiker geht detailreich auf das Zollwesen ein, schildert das gefährliche Leben der Flösser und weiss vieles über die «Schächeler» zu erzählen. Die Menschen also, die im Emmenschachen ein meist karges Leben führten und mit den Fährnissen des Wetters zu kämpfen hatten. Und damit, dass sie bei den Bauern auf der sonnigen Terasse keinen guten Ruf hatten! Aber: «Nirgends wandte sich die Lage, im grossen gesehen, so zum Guten wie in den Schächen», folgert Max Frutiger, wenn er die Entwicklung der letzten hundert Jahre betrachtet. Das Kapitel wird abgerundet mit den Illustrationen einiger Schachenhäuser wie dem «Micheli-Hüsli», von denen die meisten leider verschwunden sind.

Das Buch ist leider vergriffen. Mein Exemplar stammt vom Buchantiquariat Libretto in Langnau. Das Antiquariat ist beim Auffinden weiterer Ausgaben gerne behilflich. Ein Band ist zurzeit auf dem Emmental Shop vorhanden. Zum Thema Holzbrücken ist 2016 ein neues Buch von Hanspeter Buholzer erschienen: Holzbrücken im Emmental. Blogbericht, Artikel in der Wochen-Zeitung

Frühlingserwachen


Leuchtende Forsythien, Knospen, die sich öffnen und blühen wollen, das erste Schaumkraut. Immer mehr Frühlingsboten erwachen und künden von der schönen Jahreszeit. Auf einem Spaziergang von Rüderswil nach Mützlenberg und über die Burg zurück konnte das frische Erblühen schön beobachtet werden. Das Foto entstand auf dem Hinter-Blindenbach. Ganz rechts ist im Wald die Burgruine zu sehen. Der Weg, der an ihr vorbeiführt, endet am unteren Ende des «Schlyferstutz». Von dort führt die Hauptstrasse wieder nach Rüderswil oder nach Zollbrück, Lauperswil und Langnau.

Ein Wintermorgen in Rüderswil

Rüderswil

Bei eisigen Temparaturen ging die Sonne heute Morgen über der Grossmatt auf. Die ersten Strahlen fielen auf das Dorf und verzauberten alles mit einem strahlend weissen Licht, das über den Schneefeldern zu leuchten begann. Und dann, noch im ersten Tageslicht, bildete sich Biecht, so dass die Baumäste aussahen wie leuchtende Kristalle.

Ein schönes Bild bot das Dorf vom Steinberg aus gesehen. Über der Schneelandschaft strahlt ein blauer, wolkenloser Winterhimmel und das Licht fällt schräg schräg vom Osten auf das Dorf.